12.12.2025

Rund 300 Fachleute aus Verwaltung, Wissenschaft und Praxis kamen am 5. Dezember 2025 zur Tagung „Brücken im Fokus“ in die Historische Stadthalle Wuppertal. Die Ingenieurakademie West richtete die Veranstaltung bereits zum fünften Mal aus. Im Zentrum stand, was die Branche seit Jahren bewegt: der enorme Erhaltungs- und Ersatzbedarf bei Deutschlands Brücken und die Frage, wie Ingenieurinnen und Ingenieure unter steigender Komplexität tragfähige Lösungen entwickeln können.
In seinem Grußwort betonte Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW, die Notwendigkeit verlässlicher Strukturen. Beschleunigung sei kein Selbstzweck: „Nicht das Tempo entscheidet, sondern die Klarheit der Verantwortlichkeiten.“ Vertrauen der Verwaltung in die Expertise der Ingenieurinnen und Ingenieure sei dafür die Voraussetzung.
Der Fall Carolabrücke: Lehren aus einem Einsturz
Den Auftakt machte die Analyse des Einsturzes der Carolabrücke in Dresden. Prof. Dr.-Ing. Steffen Marx (TU Dresden) zeigte, wie konstruktive Entscheidungen aus den 1970er-Jahren, Spannungsrisskorrosion und Vorschädigungen im Spannstahl über Jahrzehnte unentdeckt blieben. Ein Temperaturabfall führte schließlich zu kritischen Umlagerungen der Spannungen. Im Anschluss ordnete MR Prof. Dr.-Ing. Gero Marzahn (BMDV) den Schadenshergang aus Sicht des Bundes ein. Fehlende statische Redundanzen, hohe Schlankheit, Temperaturzwängungen und Querrisse seien zentrale Faktoren gewesen. Der Fall zeige, wie wichtig robuste Tragsysteme und ein präzises Verständnis klimatischer Einwirkungen seien.
Kommunale Herausforderungen: Köln und Düsseldorf
Mit Blick auf die kommunale Ebene stellte Dipl.-Ing. Sonja Rode das umfangreiche Brückensanierungsprogramm der Stadt Köln vor. 90 Prozent des Personals seien mit Instandhaltung befasst, ein Hinweis auf den hohen Druck bei über 300 Brücken im Stadtgebiet. Rode zeigte aktuelle Projekte und erläuterte, wie eine langfristige Erhaltungsstrategie mit knappen Ressourcen umgesetzt werden kann.
Einen Blick nach Düsseldorf warfen M.Sc. Alexander Fischer und Dipl.-Ing. René Eis im Beitrag zur Theodor-Heuss-Brücke. Die denkmalgeschützte Rheinquerung wird bis 2040 durch einen Ersatzneubau ersetzt. Angesichts gravierender Zustandsnoten – der „Patient auf dem Sterbebett“, wie die Referenten formulierten – begann der Planungsprozess im Sommer 2025. Die Projektkommunikation spiele eine zentrale Rolle: Infoveranstaltungen stießen auf außergewöhnlich hohe Resonanz.
Digitalisierung, neue Baustoffe und Regelwerke
Am Nachmittag stand die Zukunft der Bauwerksprüfung im Fokus. Dipl.-Ing. Andreas Jackmuth (Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz) berichtete von ersten Erfahrungen mit der digitalen Transformation nach DIN 1076. Passive Feuchtesensoren, bildbasierte Schadenerfassung und der digitale Zwilling sollen künftig helfen, Erhaltungsstrategien volkswirtschaftlich effizient auszurichten. Prof. Dr.-Ing. Vincent Oettel (TU Braunschweig) stellte die Verstärkung mit UHFB-Aufbetonschichten vor. Eine Alternative in Zeiten, in denen flächendeckende Ersatzneubauten weder zeitlich noch finanziell realistisch sind. Er demonstrierte anhand der Voorster Brücke, wie ultra-hochfester Beton Tragfähigkeit und Steifigkeit deutlich erhöhen kann. Zu den anstehenden Weiterentwicklungen der BEM-ING berichteten Prof. Dr.-Ing. Gerhard Hanswille und Dr.-Ing. Berthold Dobelmann. Klimatische Temperatureinwirkungen und ihre Kombinationen gewinnen dabei an Bedeutung – eine Lehre aus aktuellen Schadensfällen.
Rahmedetalbrücke: Bauen unter Zeitdruck
Zum Abschluss zeigten Dipl.-Ing. Nadja Hülsmann (Autobahn GmbH) und Dipl.-Ing. Andreas Jancar (HABAU Group) den Stand beim Ersatzneubau der Rahmedetalbrücke. Nach dem Sprengabbruch 2021 musste ohne Baurecht mit parallelen Verfahren geplant und gebaut werden. Ein Beispiel dafür, wie sehr Infrastrukturprojekte heute von Geschwindigkeit und gleichzeitig hoher sicherheitstechnischer Präzision geprägt sind.
Mit einer Zusammenfassung der Moderatoren endete eine Tagung, die erneut zeigte: Der Brückenbau in Deutschland steht vor gewaltigen Aufgaben. Doch mit technischer Exzellenz, klaren Prozessen und einem gemeinsamen Verständnis für Verantwortung lässt sich die Zukunft der Infrastruktur gestalten.


