18.02.2016

Europarechtliche Vorgaben wirkungsvoll umsetzen: Keine Verwässerung der Berufsbezeichnung „Ingenieur“

Düsseldorf. Der Entwurf der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen für ein Gesetz zur Umsetzung der EU-Berufsanerkennungsrichtline (BARL) reicht nach Ansicht der Ingenieurkammer-Bau NRW nicht aus, Qualität und Sicherheit im Bauwesen zu sichern. Es droht eine Verwässerung der gesetzlich geschützten Berufsbezeichnung „Ingenieur“, weil wesentliche Punkte ungeregelt bleiben.

Wo „Ingenieur“ drauf steht, muss auch „Ingenieur“ drin sein. Dieser einfache Grundsatz ist in den Ingenieurgesetzen der Bundesländer geregelt. Verbraucher müssen darauf vertrauen können, dass insbesondere in sicherheitsrelevanten Bereichen des Bauwesens die Leistungen, die durch „Ingenieure“ erbracht werden, von Personen stammen, die den in Deutschland geltenden Standards an die Ingenieurausbildung entsprechen.

Um die Freizügigkeit europäischer Fachkräfte zu erleichtern, hat die EU-Kommission die Richtlinie 2005/36/EG überarbeitet, auf deren Grundlage die Mitgliedsstaaten die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen regeln müssen. Die Frist für diese Umsetzung in nationales Recht ist bereits überschritten, es droht ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Insbesondere vor dem Hintergrund des anhaltenden Zuzugs von Personen aus dem Ausland – Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern – ist eine Regulierung dringender denn je.

Nach Ansicht der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen ist der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf jedoch nicht geeignet, den durch die EU-Richtlinie vorgegebenen Regulierungsbedarf vollständig umzusetzen. Dies machten Vertreter der Kammer bei einer Anhörung am 17. Februar im Landtag von Nordrhein-Westfalen deutlich.

„Der Schutz einer Berufsbezeichnung ohne klare inhaltliche Mindestmaßstäbe entspricht nicht dem berechtigten Interesse der Gesellschaft und eines effektiven Verbraucherschutzes“, so der Vizepräsident der Ingenieurkammer-Bau NRW, Dr.-Ing. Hubertus Brauer.

Die drohende Regulierungslücke ergibt sich aus einer Diskrepanz des jetzt vorgelegten Gesetzentwurfs zum geltenden Ingenieurgesetz. Dort ist als Mindestanforderung festgelegt: Ingenieur kann werden, wer ein Studium einer technischen oder naturwissenschaftlichen Fachrichtung von mindestens sechs Semestern an einer deutschen Hochschule absolviert. Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf sieht allerdings von einer Änderung des Ingenieurgesetzes und damit von einer Beschreibung qualitativer Maßstäbe ab. Er gibt damit keine Mindeststandards für ein Anerkennungsverfahren zur Bewertung von Qualifikationen und zur Feststellung von eventuellen Defiziten einer im Ausland erworbenen Qualifikation vor. Sprich: Es fehlt das komplette Instrumentarium, um den mit der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ verbundenen Qualitätsanspruch auch künftig sicherstellen zu können. Für eine sachgerechte Durchführung individueller Anerkennungsverfahren müssten im Ingenieurgesetz unmittelbar qualitative Mindestmaßstäbe angelegt sein. Hierfür reichen die bisherigen Vorgaben nicht aus.

Offenbar möchte die Landesregierung von einer Novellierung des Ingenieurgesetzes absehen, da sie auf die Ergebnisse einer Länder-Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von NRW wartet. Diese soll bis zum Herbst 2017 das Musteringenieurgesetz, das von allen Bundesländern gemeinsam entwickelt wurde, fortschreiben.

Vor diesem Hintergrund bietet die Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine Zwischenlösung an: Als sogenannte „zuständige Behörde“ könnte die Kammer die fachlich kompetente Abwicklung eines stringenten Anerkennungsverfahrens für ausländische Anerkennungssuchende sicherstellen, die eine Kammermitgliedschaft anstreben.