Warum die zirkuläre Kreislaufwirtschaft die Zukunft ist und warum sie längst Gegenwart sein sollte

Warum die zirkuläre Kreislaufwirtschaft die Zukunft ist und warum sie längst Gegenwart sein sollte

Im Gespräch mit der IK-Bau NRW erklärt Marc Blum, warum die zirkuläre Kreislaufwirtschaft der Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunft ist. Der Ingenieur und Experte für nachhaltiges Bauen spricht über seine persönliche Verbindung zu diesem Thema, den Status Quo in Europa und Deutschland und welche Herausforderungen noch zu bewältigen sind.

IK-Bau NRW: Wir sprechen heute über das Thema Kreislaufwirtschaft aus europäischer Perspektive. Wie ist denn Ihr persönlicher Zugang zu diesem Thema?

Marc Blum: Ja, also zunächst einmal möchte ich sagen, wir müssen über zirkuläre Kreislaufwirtschaft im Bauwesen sprechen, weil Kreislaufwirtschaft im bisherigen Sinne zu kurz gedacht ist. Sie ist bisher nur ein kleines Anhängsel an die Linear Economy.

IK-Bau NRW: Ist das nicht eine Tautologie, eine zirkuläre Kreislaufwirtschaft?

Marc Blum: Ich bin schon mehrfach gefragt worden, ist das nicht der weiße Schimmel? Aber das ist nicht so. Bislang war der Begriff der Kreislaufwirtschaft ein Anhängsel an die Linear Economy. Bei der zirkulären Kreislaufwirtschaft hingegen geht es um die Summe mehrerer Kreisläufe, um beispielsweise Bauprodukte, Bauteile und Baukomponenten in den technischen Kreisläufen als Produkt, Bauteil und Komponente zu halten. Erst, wenn das irgendwann nicht mehr funktioniert, dann kommen wir zum „End of Life“ und es folgt das eigentliche Recycling, das, was man heute als Kreislaufwirtschaft bezeichnet. Aber zu Ihrer Frage, wie komme ich zu dem Thema. Wenn man sich mit der Generation der Großeltern auseinandersetzt, wurde dort nichts unbedacht weggeworfen. So bin ich auch groß geworden und erzogen. Es wurde repariert und wiederverwendet. Dinge wurden umfunktioniert, um sie in Kreisläufen zu halten. Natürlich auch, weil es an Ressourcen und Geld mangelte. Heute sieht das anders aus. Wir sind in einer Überfluss-Generation, aber die gegenwärtigen Entwicklungen zeigen uns, dass wir umdenken müssen. Als Ingenieur bin ich Stahl- & Metallbauingenieur und Schweißfachingenieur. Von meiner handwerklichen Ausbildung bis hin zur Ingenieurausbildung habe ich mich schon immer mit diesem Thema beschäftigt. Ich habe eigentlich schon immer erkannt, dass metallische Werkstoffe seit jeher Potenziale hatten für REPAIR, REUSE, REPURPOSE und auch RECYCLING. Wenn man beispielsweise mal die westeuropäischen Metallproduzenten betrachtet, sei es nun Langstahl oder Kupfer oder auch Aluminium, so arbeiten diese Produzenten mit hochmodernen Elektroöfen und das Ausgangsmaterial ist beinahe zu einhundert Prozent Schrott. Das heißt, diese Produzenten sind schon seit Jahrzehnten in einer zirkulären Kreislaufwirtschaft mit Recycling unterwegs und machen aus Schrott immer wieder neue Produkte, teilweise sogar durch Upcycling-Strategien. So können bspw. aus einer Tonne Stahlschrott nach sechsmaligem Recycling in Summe vier Tonnen neue Stahlprodukte entstehen, das schafft kein anderer Werkstoff. Wie komme ich jetzt zu dem Thema Circular Economy? Ich hatte mich an der Fern-Uni Hagen mit dem Thema „Interdisziplinäre Umweltwissenschaften“ beschäftigt und habe 2015 eine postgraduale Masterthesis berufsbegleitend zu dem Thema „Circular Economy in the Construction Sector“ verfasst.

IK-Bau NRW: Wo stehen wir heute beim Thema zirkuläre Kreislaufwirtschaft? Wie ist der Status Quo in Europa und Deutschland?

Marc Blum: Die EU-Kommission hat bereits vor Jahren diese Thematik in den Fokus genommen und zahlreiche Richtlinien und Verordnungen erstellt und umgesetzt. Beispielsweise in jüngster Zeit die EU-Taxonomie-Verordnung. In den Paragrafen 289 bis 350 ff. Handelsgesetzbuch sind diese Thematiken aufgegriffen. Große Unternehmen sind bereits gefordert, ein ESG, sprich Environmental Social Governance Reporting vorzulegen und verbindliche Kennzahlen zu liefern. Im nächsten Jahr wird die Regelung auf den großen Mittelstand ausgeweitet und ich denke, in zwei bis drei Jahren wird das ganze Thema auch für eine Vielzahl kleinerer Mittelständler im Bauwesen relevant werden. Dann gibt es bereits seit 2013 die europäische BauproduktenVerordnung und diese ist im Bauproduktengesetz in Deutschland eins zu eins umgesetzt. Dazu haben wir die europäische Abfallrahmenrichtlinie, die ist umgesetzt in Deutschland durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz, zuletzt novelliert im Januar 2020. Dort stehen im Bereich Recycling auch interessante Neuigkeiten drin, insbesondere für die Recyclingquoten mineralischer Baustoffe. Die sollen seit dem 1. Januar 2020 bei 70 Prozent liegen. Aber wir sprechen hier dann über echtes Recycling, also nicht irgendwo Verfüllung und Ausschleusen i.S.d. europäischen Abfallrahmen-Richtlinie, sondern davon, Rezyklate in die Kreisläufe in der Betonkonstruktion zurückzubringen. Da sind andere europäische Länder sehr viel weiter als Deutschland. Zudem haben wir eine europäische Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die ist in Deutschland im Juni 2021 über die Vergabeverordnung novelliert worden. Auch hierin steht für die öffentliche Hand beispielsweise, dass Reparierbarkeit, Wiederverwendung und Recycling Priorität haben und das End of Life-Szenarien bei den Bewertungen der Angebote einfließen sollen. Nicht der Preisgünstigste soll einen Auftrag erhalten, sondern, über den Lebenszyklus gesehen, der mit dem optimalen Preis. Das heißt, wir verlassen hier die in der Praxis oft beobachtete Strategie, dem Billigsten den Zuschlag zu erteilen. Das bedeutet eigentlich, von den öffentlichen Auftraggebern müssen zukünftig auch Lebenszyklusanalysen mitberücksichtigt werden und hier spielt dann Circular Economy eine große Rolle, weil bei End of Life-Szenarien kann man möglicherweise Potenziale zur CO2-Reduzierung heben, man kann sogar Credits bekommen, man kann aber auch Minuspunkte erhalten und das muss dann zukünftig auch planerisch eingearbeitet werden.

IK-Bau NRW: Trotz der vielfältigen Ansätze reicht das Ergebnis in der Praxis wohl noch nicht aus. Was muss in Zukunft passieren, wo müssen wir hin, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen und wieviel Zeit haben wir dafür?

Marc Blum: Wir müssen aus Sicht der planenden Ingenieure und Ingenieurinnen dazu kommen, dass wir Gebäude, Ingenieurbauwerke und Ausbaugewerke etc. von der Bauprodukten bis hin zur Bauteile- und Baukomponentenebene zukünftig bereits in den Planungsphasen als sekundäres Rohstofflager sehen. Bevor überhaupt gebaut wird, sollte man sich bereits mit REPAIR auseinandersetzen, mit REUSE-Potenzialen, aber auch REPURPOSE, dem Umfunktionieren. REUSE meint dabei die eins zu eins-Verwendung auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Zeiträumen. Erst wenn alle der sogenannten R-Strategien nicht mehr greifen und wir nach der Aufeinanderfolge mehrerer Lebenszyklen zu einem wirklichen End of Life des Bauproduktes, des Baustoffes oder der Bauteilkomponente kommen, dann müssen wir uns mit der Dematerialisierung dieser Sekundärrohstoffe auseinandersetzen über unterschiedliche Recyclingphasen und das möglichst verlustfrei, um die Dinge in die technischen Kreisläufe zurückzubringen. Dies erfordert aber, dass die planenden Ingenieure und Ingenieurinnen auch so denken und planen, dass man später die Dinge zunächst für REUSE demontieren und schlussendlich für das RECYCLING sortenrein trennen kann.

IK-Bau NRW: Wieviel Zeit haben wir dafür?

Marc Blum: Wenn man sich die Dimensionen der bereits in Europa erkennbaren Folgen des Klimawandels und auch des Ressourcenschwundes anschaut, haben wir eigentlich überhaupt keine Zeit mehr. Wir müssten eigentlich mit Circular Economy schon längst gestartet sein. Das Thema ist nicht neu, sondern wir sind ja schon seit einigen Jahren in der Diskussion. Eine drei bis vier Jahre alte Studie eines skandinavischen Think Tanks sagt, wenn wir sofort mit Circular Economy starten würden, könnten wir bis 2030 bereits 70 Prozent aller Treibhausgasemissionen einsparen. Das ist ein gewaltiger Hebel. Blickt man auf den Bausektor, gibt es hier das meiste Potenzial, um über den Einstieg in die Circular Economy schnell von den hohen CO2- Emissionen runterzukommen.

IK-Bau NRW: Was kommt konkret auf das einzelne Planungsbüro zu? Was müssen die Planerinnen und Planer künftig leisten, welche Qualifikationen müssen sie erwerben? Wie wird sich ihre Arbeitspraxis verändern bzw. verändern müssen?

Marc Blum: Eigentlich kommt nichts Neues auf die Planerinnen und Planer zu, sondern man muss sich mit der Reaktivierung traditioneller Bauweisen beschäftigen und auseinandersetzen. Früher wurde bei Um- und Rückbauten nichts weggeworfen, sondern die Baustoffe in anderen Bauwerken wiederverwendet oder weiterverwertet. Darauf sollte man sich zunächst zurückbesinnen. Ein Beispiel ist die Ziegelaufbereitung und Wiederverwendung. Aus der Not heraus hat man der Nachkriegszeit bis in die 50er Jahre hinein Trümmer-Ziegel aufgearbeitet und wieder verbaut. Als weiteres Beispiel gibt es die alte DIN 1050 Beiblatt 2. Das ist die alte DIN für Stahlbau; hier geht es um die Wiederverwendung und Aufbereitung von Altstahl. Dieses alte Wissen sollte man heute wieder heben. Im Hinblick auf den EUROCODE 3 passiert dies gerade, dort wird ein ähnliches Beiblatt zum Thema „Reuse Steel“ als Ergänzung zu DIN EN 1090-2 erarbeitet, welches voraussichtlich Ende dieses Jahres publiziert werden soll. Auch die Weiterverwendung von feuerverzinkten Konstruktionen ist ein Beispiel. Hier werden derzeit in den Niederlanden sehr viele Projekte umgesetzt, bei denen alte feuerverzinkte Konstruktionen rückgebaut und wiederverwendet werden. So wechselte eine kleine Zuschauertribüne von einem Fußballverein zum anderen zu einem Preis von ca. 35.000 Euro an Gesamtbaukosten, wobei eine neue Tribüne leicht mehr als 250.000 Euro gekostet hätte; das zeigt man spart mit Circular Economy nicht nur CO2-Emissionen ein, sondern auch bares Geld.

IK-Bau NRW: Ein wichtiges Thema bei der Etablierung einer zirkulären Kreislaufwirtschaft ist die Frage der Zertifizierung. Wie kann die Rezertifizierung von Bauteilen in zukünftigen technischen Kreisläufen ablaufen?

Marc Blum: Die Rezertifizierung von Baustoffen, Bauteilen und Baukomponenten in künftigen technischen Kreisläufen insbesondere für REUSE und REPURPOSE ist ganz klar ein wichtiges Ingenieurthema. Richten wir den Fokus auf die aktuelle rechtliche Lage und haben wir es mit Bauprodukten, Bauteilen oder Baukomponenten jüngeren Jahrgangs zu tun, die bereits über eine CE-Kennzeichnung verfügen, ist das überhaupt kein Problem. Hier sagt die Europäische Kommission in diesem Kontext, dass man eins zu eins das CE-Kennzeichen neben der Leistungserklärung DOP bei Reviews verwenden kann. Nicht so einfach ist das bei älteren Bauprodukten oder bei fehlenden Kennzeichnungen. Jedoch ergibt sich aus diesem Problem für Bauingenieurinnen und Bauingenieure eine interessante Perspektive. In einem strategischen Leitpapier hat die EU-Kommission bereits im Mai 2018 Vorschläge formuliert, wie zukünftig Circular Engineers oder aber qualifizierte Bauwerksprüfer und Bauwerksprüferinnen oder öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige in ihrem jeweiligen Fachgebiet über eine ergänzende Schulung oder Qualifizierung zum Thema Circular Economy entsprechend für eine Rezertifizierung sorgen können. Zuletzt habe ich bei den Aachener Bausachverständigentagen 2023 über das Thema gesprochen und wir waren im Kollegenkreis der Meinung, dass auch bei einer Rezertifizierung die Gewährleistung und die Haftung weiterhin bei den Produktherstellern bleibt. Man müsste diese Frage noch einmal juristisch spiegeln, aber ich glaube nicht, dass in diesem Kontext ein Bauingenieur für ein gesamtes Produkt haftbar gemacht werden kann. Die Bauingenieurin oder der Bauingenieur machen bei der Rezertifizierung ja eigentlich nichts anderes als bei der Bewertung von Bauschäden, kommunizieren dies dann nur anders i.S.v. Circular Economy. Bei allen hier offenen Fragen im Detail ergeben sich aber aus der Circular Economy für das Ingenieurwesen eigentlich völlig neue Business Modelle.

IK-Bau NRW: Wir bewegen uns bei diesem Thema hauptsächlich im europäischen Rahmen, das ist bereits deutlich geworden. Was ist in diesem Kontext der Circular Economy Action Plan (CEAP)?

Marc Blum: Der große Überbau der Europäischen Kommission ist der EU-Green New Deal, den Ursula von der Leyen im Herbst 2020 verkündet hat. Die Idee ist, den zirkulären Weg einer logischen Ressourcennutzung (anstatt unlogischen Ressourcenverbrauch) für ein sauberes und auch global wettbewerbsfähiges Europa zu gehen. Der Circular Economy Action Plan ist großer Baustein des Green New Deal, mit besonderem Fokus auf den Bausektor. Denn auch die EU-Kommission hat erkannt, dass im Bausektor die größten Hebel zu bewegen ist. So wird die EU-Ökodesign-Verordnung gerade überarbeitet und auf das Bauwesen ausgeweitet. Planungen und Konstruktionen müssen dann künftig zirkuläre Ansätze berücksichtigen. Auch die europäische Bauproduktenverordnung wird überarbeitet und es wird eine deutlich größere Gewichtung und Fokussierung auf die Themen REPAIR, REUSE, REMANUFACTURE, REPURPOSE und RECYCLING geben. Die Novelle der Verordnung, die anders als eine EU-Richtlinie in allen EU-Ländern unmittelbare Gesetzeskraft durch Veröffentlichung im EU-Amtsblatt besitzt, wird für die zweite Jahreshälfte erwartet.

IK-Bau NRW: Für eine funktionierende zirkuläre Kreislaufwirtschaft ist es unabdingbar, dass die Digitalisierung im Bauwesen voranschreitet. Kommt dadurch auf die Planungsbüros nochmal ein größerer Modernisierungsdruck zu?

Marc Blum: Cirular Economy und Digitalisierung muss man gemeinsam denken, das ist ganz klar. Unter den Bedingungen einer digitalisierten Circular Economy werden Bauwerke jedoch zum sekundären Rohstofflager. Durch dieses „Urban Mining“ werden Baustoffe werden zu Wertstoffen. Das heißt für mich aber auch, zunächst sind die Immobilienbesitzer oder die Immobilienbetreiber gefordert, digitale Prozesse aufzusetzen. Es gibt auf Gebäudeebene schon die ein oder andere Firma, die gegenwärtig daran arbeitet, auf Gebäudeebene oder auch auf gebündelter Liegenschaftsebene Kataster mit zirkulären Eigenschaften abzubilden. Es gibt mittlerweile auch Handelsplattformen, Firmen, die sich insbesondere mit mineralischen Baustoffen auseinandersetzen, um die wieder in die technischen Kreisläufe reinzubringen, oder Plattformen, die sich ursprünglich mit historischen Bauteilen beschäftigen, jetzt aber auch gebrauchte Bauteile zum REUSE in die Kreisläufe bringen. Was sich jedoch der planende Ingenieur oder die planende Ingenieurin aneignen müssen, ist der Zugriff auf diese Informationen. Hier ist das sogenannte Product Circular Data Sheet, kurz PCDS, relevant, um Produkte mit zirkulären Produktpässen auszustatten. Das wird auch gerade in Europa, wo ich in der Arbeitsgruppe 2 (WG2) zur „Circular Economy in the Construction Sector“ im CEN/TC350/SC1 der Obmann bin, sehr stark diskutiert und auch priorisiert. Im Großen und Ganzen sage ich, die größten Hürden liegen auf der Kundenseite der Ingenieurinnen und Ingenieure.

IK-Bau NRW: Welche Entwicklungen gibt es denn eigentlich bereits heute, um zirkular zu bauen?

Marc Blum: Ich hatte ja eingangs schon gesagt, dass wir seit 2013 die europäische Bauprodukten-Verordnung haben, in Deutschland umgesetzt als Bauproduktengesetz. Diese Rechtsnormen, insbesondere den Anhang I - Kapitel 7, in dem es um das zirkuläre Bauen geht, sollte jede Planerin und jeder Planer kennen. Hier findet man eindeutige juristische MUSS-Formulierungen mit Priorität darauf, zunächst einmal Sekundärrohstoffe zu verbauen und wenn diese zurückgebaut werden, diese wieder in die Kreisläufe zu bringen. Insbesondere die öffentlichen Bauherren sind hier als Vorbilder gefordert. Blickt man auf den Novellierungsentwurf der Bauprodukten-Verordnung, sieht man, dass es zu einer deutlichen Verschärfung kommt in den Anforderungen, und Planer die Prinzipien des REPAIR, REUSE, REMANUFACTURE, REPURPOSE und RECYCLING ernsthaft berücksichtigen müssen. Das neueste Leitthema der Europäischen Kommission lautet hier Competitive Sustainability. Das bedeutet, es ist das Ziel, Zirkularität über verlängerte Lebenszyklen durch Wiederverwendung und schlussendlich Cradle to Cradle-Konzepte zu belohnen. Zukünftig wird belohnt, wer seine Bauwerke nach diesen Prinzipien planen und auch bauen lässt. Hierzu gibt es bereits eine europäische Ecodesign for Sustainable Products Regulation (EUSPR). Mit dieser Regulierung sollen Produkte mit zirkulären Produktpässen versehen werden, um das große Ziel der EU „Race to Triple Zero“ - No Pollution No Waste, No Emissions umzusetzen. Schauen wir auf Unternehmen auf der Baustoffherstellerseite gibt es bereits einige Unternehmen bis hin zu Cradle to Cradle-Zertifizierungen. Ich komme aus dem Stahl- und Metallbau. Blicken wir auf die westeuropäische Stahlindustrie für Langstahlprodukte, arbeiten diese seit Mitte der 80er Jahre mit hochmodernen Elektroöfen, endformnahem Strangguss und es wird zu 100 Prozent Schrott verwendet. Es gibt auch eine große europäische Verzinkungsgruppe, die ihre Prozesse und Produkte Cradle-to-Cradle zertifiziert hat. So kann sie ihren Kunden CO2-Gutschriften auf einem kundenbezogenen CO2-Konto gutschreiben, die diese dann nutzen können, um ihre eigene CO2-Bilanz zu verbessern. Was in Deutschland noch viel zu kurz kommt, ist die Verwendung von Beton-Rezyklaten. Schaut man in die Schweiz, die Niederlande oder nach Skandinavien, werden dort beispielsweise für Hochbaukonstruktionen mit statisch ruhenden Belastungen bis zu 90 Prozent Rezyklat aus Abbruchmaterial verwendet. Die Beton-Rezyklate fließen also in unterschiedlichen Körnungen zurück in den neuen Beton. Deutschland muss hier aufholen, allein weil die Zementindustrie eine der größten Netto-Emissionäre von CO2 ist und 60 Prozent dieser CO2-Emissionen entstehen bei physikalischen und bauchemischen Prozessen.

Marc Blum studierte Stahlbau und Schweißtechnik in Dortmund, Wirtschaftsingenieurwesen in Bochum und Interdisziplinäre Umweltwissenschaften (Schwerpunkt: Circular Economy) in Hagen. Nach jahrzehntelanger Tätigkeit in Führungspositionen in der europäischen Stahl- und Stahlbauindustrie seit 2018 als selbstständig beratender Ingenieur bei BLUM-INGENIEURCONSULT, Ennepetal, und ö. b. u. v. SV für Metall- & Stahlbau, Metallrestaurierung in der Denkmalpflege tätig. Parallel dazu seit 2020 Geschäftsführer der Initiative ZINKSTAHL gGmbH und Mitglied im Normenausschuss „Nachhaltiges Bauen“ als Experte für Circular Economy im Bauwesen sowie Obmann im CEN/TC 350/SC 1-WG2 „Circular Economy in the Construction Sector“.

Das Interview führte IK-Bau NRW-Pressesprecher Dr. Bastian Peiffer