João Lobão hat als Bauingenieur schon einiges von der Welt gesehen: Nach Stationen in Brasilien, Frankreich und Norwegen arbeitet er heute für ein Ingenieurbüro in Köln. Mit ihm haben wir darüber gesprochen, was Fachkräfte aus dem Ausland mitbringen müssen, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein. Was die Bewerbungskulturen in Europa unterscheidet und wie Ingenieurbüros hierzulande attraktiver für ausländische Fachkräfte werden können.
João Lobão, zweiter von rechts, bei der ChallengINGDiskussion
am 8.11.2023
IK-Bau NRW: Könnten Sie kurz Ihren Weg in die Ingenieurbranche nachzeichnen? Warum sind Sie Ingenieur geworden?
João Lobão: Das ist eine gute Frage, denn eine familiäre Vorprägung gibt es nicht. Während die eine Seite meiner Familie vor allem beim Militär oder der Polizei engagiert war, stehen auf der anderen Seite Bäcker und Produzenten von Olivenöl. Meinen Eltern war vor allem wichtig, dass ich studiere, und zwar ein Fach, das auch zum Broterwerb taugt. Deshalb war meine Begeisterung für Kunst und Musik keine berufliche Option. Mein Großvater war handwerklich sehr umtriebig und ich habe sehr gerne mit ihm Dinge gebaut. So entstand die Idee, Ingenieur zu werden. Hier habe ich mich vor allem für Geotechnik und dann für die Tragwerksplanung interessiert. Begeistert hat mich für diese Fachrichtungen vor allem einer der Lehrer an meiner Universität, der „Faculdade de Engenharia da Universidade do Porto - FEUP“, Manuel Matos Fernandes.
IK-Bau NRW: Wie sind Sie denn von Portugal aus zu Ihrer ersten Auslandsstation gekommen?
João Lobão: Eigentlich hatte ich geplant, meine Masterabschlussarbeit in Österreich zu schreiben. Dann erreichte mich über einen Dozenten das Angebot, meine Arbeit bei einem Unternehmen in Frankreich zu verfassen. So wurde Paris meine erste Auslandsstation. Ich bin dort für sechs Monate geblieben. Die Finanzkrise hat einer auskömmlichen Anstellung in Frankreich nach Abschluss meines Studiums dann aber unmöglich gemacht. Als sich die Möglichkeit eröffnete, als Ingenieur in Brasilien zu arbeiten, habe ich diese genutzt. Wegen der bevorstehen Fußball-WM 2014 und der Olympischen Sommerspiele 2016 wurden viele Infrastrukturbauten neu geplant. Das Angebot eines norwegischen Unternehmens hat mich schließlich zurück nach Europa geführt. Für dieses Unternehmen habe ich Offshore gearbeitet und konnte gleichzeitig meinen Wohnsitz in Portugal behalten. Dort habe ich auch für einige Jahre gearbeitet, dann habe ich jedoch meine heutige Partnerin kennengelernt und die Arbeit Offshore war auf Dauer nicht sehr familienfreundlich. Weil meine Partnerin aus Deutschland kommt, bin ich schließlich hier gelandet. Auch weil es für mich als Ingenieur leichter war, hier Arbeit zu finden als für meine Partnerin als Psychologin im Ausland.
IK-Bau NRW: Wie haben Sie den Spracherwerb gemeistert? Welche Ratschläge haben Sie für Ingenieurinnen und Ingenieure, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen?
João Lobão: Wer schon im Studium die konkrete Idee hat, in Deutschland zu arbeiten, sollte sich bereits in seinem Heimatland um einen Sprachkurs bemühen. Es besteht auch die Möglichkeit, seine Bildungsabschlüsse und Qualifikationen über die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) anerkennen zu lassen. Das geht alles vorab und online vom jeweiligen Heimatland aus. Das Erlernen der Fachsprache ist aus der Ferne schwieriger. Bauingenieursspezifische Begriffe habe ich erst hier auf der Baustelle oder durch den Austausch mit Kollegen gelernt. Grundsätzlich muss man sich schon ein wenig Mühe geben. Deutsch zu lernen ist eben etwas anderes als Englisch. Von der englischen Sprache ist man auch in Portugal ständig umgeben durch Musik, Serien, Filme, Bücher oder einfach auch nur Produktverpackungen. Man lernt vieles schon so nebenher, das ist bei der deutschen Sprache anders. Hier ist mehr Eigeninitiative gefragt. Vielleicht besteht auch die Möglichkeiten, etwaige Fortbildungsangebote in den ersten Jahren für Sprachkurse zu nutzen. Arbeitgeber könnten in Zeiten des Fachkräftemangels ihre ausgeschriebenen Stellen attraktiver machen, indem sie die den Spracherwerb ihrer ausländischen Fachkräfte unterstützen.
IK-Bau NRW: Welche Hindernisse haben Sie bei der Anerkennung Ihrer ausländischen Studienleistungen erfahren?
João Lobão: Was die Aufnahme in die Kammer angeht, war der Prozess ähnlich wie wahrscheinlich auch in Portugal. Natürlich muss man einiges nachweisen und Dokumente vorlegen, aber das ist im Zweifel ja für alle der gleiche Aufwand. Gewundert, vielleicht auch etwas geärgert, habe ich mich an anderer Stelle. Ich hatte meine Studienzeugnisse an meiner Universität in Porto bewusst in englischer Sprache ausstellen lassen, um diese für Bewerbungen außerhalb Portugals nutzen zu können. Das war bei meinen Stationen in Europa auch nirgends ein Problem, außer in Deutschland. Hier musste ich zusätzlich eine beglaubigte Übersetzung ins Deutsche anfertigen lassen. Das erschien mir in Zeiten von Bologna und Fachkräftemangel vielleicht etwas überholt.
IK-Bau NRW: Welche Unterschiede zum europäischen Ausland haben Sie in der deutschen Bewerbungskultur festgestellt?
João Lobão: In Brasilien und Portugal sind Bewerbungen und auch Bewerbungsgespräche ähnlich formell wie in Deutschland, vielleicht sogar noch etwas formeller. Eine völlig andere Bewerbungskultur habe ich in Norwegen kennengelernt. Während in Portugal bei Vorstellungsgesprächen ein Anzug der Standard ist, begegnet man in Norwegen eher entspannter Freizeitkleidung, auch auf Seiten der Arbeitgeber. Dieser Eindruck spiegelt sich auch im Bewerbungsverfahren wider. Während in Deutschland das formelle Anschreiben und die beigefügten Zeugnisse eine große Rolle spielen, reicht in Norwegen nach meiner Erfahrung eine formlose E-Mail und ein Lebenslauf. Gerade das deutsche Anschreiben ist, wie ich finde, eine Wissenschaft für sich. Ohne die Unterstützung meiner Partnerin, die Muttersprachlerin ist, wäre mir in Deutschland vielleicht keine erfolgreiche Bewerbung gelungen. Vielleicht müssen künftig beide Seiten, die Arbeitgeber in Deutschland, aber auch Fachkräfte aus dem Ausland, mehr Flexibilität zeigen und sich besser auf kulturelle Unterschiede einstellen. Wenn ich mich aus dem Ausland für den deutschen Arbeitsmarkt bewerbe, muss ich mich natürlich über die hiesigen Gepflogenheiten informieren und entsprechend anpassen. Arbeitgeber sollten aber auch wissen, dass es in Europa sehr unterschiedliche Bewerbungskulturen gibt und nicht jede Bewerbung, die nicht dem Standard entspricht, ist eine Zeichen von Nachlässigkeit oder mangelnder fachlicher Qualifikation.
IK-Bau NRW: Welche Maßnahmen können Ingenieurbüros ergreifen, um den Einstellungsprozess für Fachkräfte mit Einwanderungsgeschichte zu erleichtern?
João Lobão: Für eine Übergangszeit sind gute Englischkenntnisse der Kollegen eine enorme Hilfe. Bei meinem ersten Arbeitgeber in Deutschland, das war noch in Baden-Württemberg, habe ich noch sehr viel Englisch gesprochen und das war glücklicherweise auch kein Problem. So hatte ich Zeit, besser Deutsch zu lernen und konnte trotzdem schon produktiv arbeiten. Aber selbst, wenn im Büro Englisch gesprochen wird, sollte man unbedingt Deutsch lernen, wenn man seine Zukunft hier sieht. Eine wirkliche Teilhabe am öffentlichen und kulturellen Leben ist ansonsten in Deutschland meiner Erfahrung nach nicht möglich. Auch das ist beispielsweise in den skandinavischen Ländern anders, hier kommt man auch privat mit Englisch gut zurecht.
IK-Bau NRW: Welche fünf Tipps geben Sie Ingenieurinnen und Ingenieure, die in Deutschland arbeiten möchten?
João Lobão: Als Erstes einen Sprachkurs noch im eigenen Land zu besuchen. Als Zweites sollten alle Zeugnisse auf Englisch vorliegen. Es schadet sicher auch nicht, schon einmal Verbindung zu einer Ingenieurkammer aufzunehmen und sich über die Bedingungen der Aufnahme zu informieren. Als Viertes sollte man schnellstmöglich technisches Deutsch, also die Fachsprache lernen. Vielleicht hat man Glück und der neue Arbeitgeber unterstützt dieses Vorhaben durch Zuschüsse oder Freistellungen. Abschließend würde ich jedem empfehlen, der hier für längere Zeit arbeiten möchte, sich auf Sprache und Kultur einzulassen. Zeitungen und Zeitschriften auf Deutsch zu lesen und Fernsehen auf Deutsch zu schauen. Auch wenn die Englischkenntnisse in den jüngeren Generation sicher immer besser werden, wird ansonsten keine echte Integration gelingen
Das Interview führte Dr. Bastian Peiffer, Pressesprecher der IK-Bau NRW.