Als Kooperationspartner der InfraTech präsentierten sich die Ingenieurkammer-Bau NRW und die Ingenieurakademie West vom 20. bis zum 22. September 2022 mit großem Messestand und eigenem Rahmenprogramm auf der Infrastrukturmesse in der Halle 3 der Messe Essen.
Als Kooperationspartner der InfraTech präsentierten sich die Ingenieurkammer-Bau NRW und die Ingenieurakademie West vom 20. bis zum 22. September 2022 mit großem Messestand und eigenem Rahmenprogramm auf der Infrastrukturmesse in der Halle 3 der Messe Essen. Zu den Besucherinnen und Besuchern des gemeinsamen Standes der IK-Bau NRW und der Ingenieurakademie West gehörten der Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, Oliver Krischer, sowie Staatssekretär Viktor Haase aus dem gleichen Hause. Minister Oliver Krischer sprach mit dem Vizepräsidenten der IK-Bau NRW, Dipl.-Ing. Michael Püthe, insbesondere über den Fachkräftemangel im Ingenieurwesen. Weitere Gespräche mit interessierten Besucherinnen und Besuchern drehten sich um die IK-Bau NRW und speziell die Möglichkeit einer Kammermitgliedschaft, sowie die Kampagnen „Kein Ding ohne ING.“ und „Bling.Bling.“ Der Minister und sein Staatssekretär verließen den Stand nicht ohne den beliebten Hoodie der kammereigenen Merch-Linie.
Höhepunkt des zweiten Messetages war ein namhaft besetztes Rahmenprogramm der IK-Bau NRW zu den aktuellen Themen Energie, Bautechnik, Räume und Hochwasserschutz. Zur Begrüßung erinnerte der Hauptgeschäftsführer der IK-Bau NRW, Christoph Spieker M.A., an die gewaltigen Herausforderungen unserer Zeit, die mit dem Ingenieurwesen mittelbar oder unmittelbar verwoben seien. Ohne die geistig-schöpferische Kraft der Ingenieurinnen und Ingenieure werde es keine befriedigenden Antworten auf die Energiekrise, den Klimawandel und die dringend notwendige Ertüchtigung unserer Infrastrukturbauwerke geben. Zeitgleich halte die Digitalisierung Einzug im Bauwesen – später als in anderen Branchen, doch deutlich spürbar. Auch das Bauwesen werde sich nicht ohne disruptive Verwerfungen digitalisieren. Inwiefern Planerinnen und Planer und ihre geistig-schöpferische Leistungen von diesen grundstürzenden Veränderungen betroffen sein werden, lässt sich noch nicht absehen. Doch könnte die Innovationskraft, die der Einsatz Künstlicher Intelligenz mit sich bringt, auch hier mehr Neuerungen bringen, als sich heute mancher vorstellt. Mut macht, dass solche Neuerungen nach den Erfahrungen der Tagung innovativ, aber nicht destruktiv sein müssen, und der Kreativität der Ingenieurinnen und Ingenieure neue Räume eröffnen und bislang unbetretene Wege bahnen können.
Den Auftakt zur Reihe der ingenieurwissenschaftlichen Vorträge machte Johannes Schrade vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik mit seinem Vortrag zum Thema „Energiewende und Bauen“, in denen er Antworten auf die Frage „Wie sehen klimaneutrale Gebäude und Quartiere der Zukunft aus?“ gab. Nachdem Schrade die Aufgaben formuliert hatte, die der Klimawandel der Baubranche stellt, zeigte er, wie weit man beim Neubau - sehr weit - und bei der energetischen Sanierung des Bestandes – nicht weit genug – bislang gekommen ist. Während im Hinblick auf den Neubau ingenieurtechnisch alles möglich ist, was nötig ist, um die Klimaneutralität zu erreichen, warten im Bestand noch Herausforderungen, die bislang nicht gemeistert wurden. Nicht alle dieser Problemstellungen kann der Berufsstand in Ausübung seiner Profession lösen, etwa wenn Eigentümern zur Sanierung im Bestand Anreiz und Geld fehlen. Insgesamt seien die Ziele für den Gebäudesektor ambitioniert, aber technisch erreichbar. Steigende Energiepreise beschleunigten die Energiewende im Gebäudesektor. Doch gelte es strategisch vorzugehen, um Lock-In-Effekte zu vermeiden. Quartierslösungen müssten in diesem Kontext den Vorrang erhalten vor der Optimierung von Einzelobjekten.
Auf das Themenpanel Energie folgte der Bereich Automatisierung und Digitalisierung auf der Baustelle. Zunächst sprach Prof. Dr.-Ing. Christoph Gehlen vom Lehrstuhl für Werkstoffe und Werkstoffprüfung im Bauwesen der TU München am Bildschirm zugeschaltet über das Thema 3D-Druk und additive Fertigung. Christoph Gehlen vermittelte dem Auditorium beispielhaft, dass dem Planenden mit den Möglichkeiten der additiven Fertigung eine völlig neue Formensprache zur Verfügung steht. In konventioneller Fertigung massiv erstellte Bauteile ließen sich bei vergleichbaren Trageeigenschaften im 3D-Druck mit Hohlräumen fertigen, so dass Material eingespart werde und die Emission von CO2 reduziert werden könne. Eindrucksvoll war die Abbildung der bionischen Struktur eines aus Beton gefertigten Bauteils nach Art eines Vogelknochens. Sodann stellte Gehlen die gängigen 3D-Druck-Verfahren im Bauwesen vor: Zum ersten die sogenannte Beton-Extrusion, bei der Beton durch eine Düse ausgebracht und in Strängen schichtweise aufeinander abgelegt wird. Mit dieser Methode wurde auch das erste genehmigte Einfamilienhaus im nordrhein-westfälischen Beckum gedruckt. Zum zweiten das sogenannte Partikelbett-Verfahren, bei dem dünne Schichten eines trockenen Materials ausgebracht und lokal verfestigt werden. Der nächste Schritt im Bereich der additiven Fertigung und gerade Gegenstand intensiver Forschung sei das Zusammenspiel von Beton und Bewehrung, das künftig den Einsatz der Technik auch bei klassischen Ingenieurbauten in Aussicht stelle.
Prof. Dr.-Ing. Tobias Bruckmann vom Lehrstuhl für Mechatronik, Universität Duisburg-Essen zeigte dann, welche Möglichkeiten die Robotik für die Branche eröffnet. Während die additive Fertigung nicht nur neue Wege aufzeigt, sondern auch eine neue Formensprache etablieren könnte, ist die Aufgabenstellung der Robotik im Bauwesen derzeit noch eine andere. Das Ergebnis, ein Rohbau aus Kalksandstein, ist konventionell. Der von Tobias Bruckmann skizzierte Weg dorthin spektakulär. So ist es einem Team aus Forschenden der Universität Duisburg-Essen (UDE), des Instituts für Angewandte Bauforschung Weimar und der Forschungsvereinigung Kalk-Sand gelungen, umfangreiche Maurerarbeiten durch einen Roboter erledigen zu lassen. Sollte diese Technik einmal Standards setzen, veränderten sich die Anforderungen an Ausbildung und Fertigkeiten der ausführenden Gewerke ganz erheblich. Doch auch für den Planer bedeuten diese Veränderungen einen Modernisierungsschub- und womöglich -zwang. Denn die digitale Ausführung ist nur möglich mit digitaler Planung, d. h. Building Information Modeling (BIM) wird für die Planenden zur verbindlichen Norm.
Nach der Mittagspause holte Frau Prof. Dr.-Ing. Lamia Messari-Becker das Auditorium dann aus der Zukunft zurück in die Gegenwart. Via Onlineschalte aus Hamburg, wo Messari-Becker zur Aufzeichnung der Sendung „Markus Lanz“ vom 22. September weilte, sprach sie über „Die Auswirkungen von Corona, Klimawandel und Wohnungsmangel auf die Entwicklung von Städten und Bauwesen“. In diesem Vortrag skizzierte die Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik der Universität Siegen potenzielle Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit im Bereich Mobilität, Klimaschutz oder Wohnungsbau und den Beitrag, den die Ingenieurinnen und Ingenieure hier leisten können. Denn eines stehe außer Frage, das Bauwesen sei eine der Schlüsselbranchen für Klimaschutz und Klimafolgenanpassung. Lamia Messari-Becker gelang es, den Blick der Zuschauer über den eigenen Horizont hinaus zu lenken und auf globale Entwicklungen zu richten. So zeigte sie eindrücklich, dass der Ressourcenverbrauch weltweit steigt und noch weiter steigen wird. Einsparung und Verzicht würden die Probleme im weltweiten Kontext daher nicht lösen, dazu seien nur ingenieurtechnische Innovationen und der Einsatz neuer Technologien und eine konsequent angewandte Kreislaufwirtschaft in der Lage. Auch auf anderer Ebene gelang es Lamia Messari-Becker anhand beispielhaft vorgetragener Fakten, Erwartungen zu brechen und den Blick auf wesentliche Entwicklungen in Folge des Klimawandels zu lenken: So verbrauche die Frankfurter City im Sommer mehr Energie zur Kühlung als im Winter für die Wärmeerzeugung. Auch zeigte Lamia Messari-Becker auf, dass alle Anstrengungen zur Energieeinsparung im Gebäudesektor durch den stetigen Anstieg des Wohnraums pro Person teilweise wieder aufgezehrt werde. Auch deshalb gelte es im Gebäudesektor vermehrt die graue Energie in den Blick zu nehmen.
Den Abschluss der Tagung markierte die Podiumsdiskussion zum Thema „Flutkatastrophe 2021 – Konsequenzen für Risikoanalyse, Stadtplanung und Hochwasserschutz“. Unter der Leitung von WDR-Moderator Ralph Erdenberger diskutieren Prof. Dr.-Ing. Lamia Messari-Becker, Prof. Dr.-Ing. Bert Bosseler vom Institut für Unterirdische Infrastruktur, Gelsenkirchen und Prof. Dr.-Ing. Markus Quirmbach, Siedlungswasserwirtschaft, Hydrologie und Wasserbau, Hochschule Ruhr-West über die Möglichkeiten, zunehmenden Extremwetterereignissen zu begegnen. Einig war man sich, dass die kollektive Erinnerung an vergangene Extremwetterereignisse nicht verblassen dürfte. Lamia Messari-Becker mahnte, dass es relevant bleibe, wie man die Menschen im Falle der Katastrophe rechtzeitig warnen und zu richtigem Verhalten anleiten könne.
Markus Quirmbach, der seine aktuellen Forschungsprojekte KIWaSuS und BORSIS vorstellte, wies mit Nachdruck darauf hin, dass auch die erfolgreiche Umsetzung aller möglichen Elemente des Schwammstadt-Konzeptes die Katastrophe im Ahrtal nicht hätte verhindern können. Jedoch könnten Projekte wie ein „KI-basiertes Warnsystem vor Starkregen und urbanen Sturzfluten (KIWaSuS)“ und „Boden-Rohr-Systeme als innovatives Element der klimaangepassten Stadtentwässerung (BORSIS)“ künftig sehr wohl dazu beitragen, auf Starkregenereignisse im urbanen Umfeld besser vorbereitet zu sein. Bert Bosseler hofft im Hinblick auf die Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft stehe, auf ein Umdenken bei den handelnden und entscheidenden Personen. Derzeit seien die Entscheidungsstrukturen nicht auf die Größe und Art unserer aktuellen Probleme ausgelegt.
Intensive Branchengespräche bei bestem Kaffee unseres Baristas vom Düsseldorfer Coffee Place „WeirdSpace“, ein Seminarprogramm, das den Zuspruch der Besucherinnen und Besucher fand und dem Motto „Die Zukunft bauen“ gerecht wurde. Die IK-Bau NRW und ihr Fortbildungswerk, die Ingenieurakademie West haben sich auf der InfraTech einem interessierten Publikum als moderne Institutionen präsentiert, die aktiv an der Zukunft des Berufstandes und damit an der Standfestigkeit unseres gesamten Gemeinwesens mitwirken.