28.08.2020

Die Reform der Kommunalen Vergabegrundsätze in NRW

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Neugestaltung der Kommunalen Vergabegrundsätze durch das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer unbürokratischen, qualitätsorientierten und verbraucherfreundlichen Vergabe von Ingenieurleistungen in den Städten und Gemeinden.

Für die Kommunen gibt es gute Argumente, die Chancen zu ergreifen, die ihnen der fakultative Charakter der Vergabegrundsätze bietet: Die Reform vereinfacht die Vergabe, wertet den Qualitätswettbewerb auf und stärkt die nordrhein-westfälische Baukonjunktur in der Coronakrise.

Ingenieurinnen und Ingenieure begrüßen die Reform
Die Ingenieurkammer-Bau NRW begrüßt die Reform deshalb auf ganzer Linie, und wir sind glücklich, dass wir als Kammer im Interesse der Ingenieurinnen und Ingenieure in Nordrhein-Westfalen den Reformprozess im engen Austausch mit dem Ministerium begleiten durften. Am Ende dieses gemeinsamen Weges stehen Grundsätze, die uns Ingenieure, den Kommunen und allen anderen Bürgern dieses Landes dienen: Die Ingenieurbüros in den Regionen profitieren, weil sie künftig ohne überzogenen bürokratischen Aufwand mit ihrer Befähigung und Qualifikation punkten können. Die Kommunen gewinnen, weil sie die Chance auf Planungssicherheit und auf eine schlanke und effiziente Vergabe erhalten. Alle Bürger profitieren, weil es unbestritten dem Verbraucherschutz dient, wenn das beste und wirtschaftlichste und nicht das billigste Angebot den Zuschlag erhält.

Was ist neu?
Doch was ist materiell neu an den Vergabegrundsätzen? Die Reform greift erstmals die Vergabe von Aufträgen speziell für freiberufliche Leistungen von Architekten und Ingenieure neben den eigentlichen Bauleistungen und Dienstleistungen auf und verschiebt die Praxis des Preiswettbewerbs in die Richtung des Leistungs- und Qualitätswettbewerbs. Bei Leistungen bis zu einem geschätzten Auftragswert von 25.000 Euro darf die Kommune erstmals einen geeigneten Bewerber direkt beauftragen. Städte und Gemeinden können kleinere Aufträge damit sachgerecht, unkompliziert und effektiv vergeben. Bei Aufträgen bis zu einem Wert von 150.000 Euro entscheiden sich die Kommunen in einem Leistungswettbewerb mit mindestens drei Bewerbern nach „sachgerechten Kriterien“ wie beispielsweise der Projekterfahrung und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit für einen der Bewerber. Erst danach verhandelt die Kommune in einem zweiten Schritt mit dem Bewerber über den Preis. Aufträge mit einem Schätzwert von 150.000 Euro bis derzeit 214.000 Euro vergibt die Kommune nach Abgabe von mindestens drei schriftlichen Angeboten.

Reaktion auf EuGH-Urteil zur HOAI
Man kann die Reform auch als Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) vom Sommer letzten Jahres lesen: Der EuGH hatte mit seinem Urteil Preisdumping bei sicherheitsrelevanten Planungsleistungen zumindest ermöglicht. Die Neufassung der kommunalen Vergabegrundsätze ist nun geeignet, eine Abwärtsspirale bei Preis und Qualität zulasten aller Beteiligten zu verhindern. Zwar sind die Kommunen, wie bereits erwähnt, nicht an die Grundsätze gebunden, doch appellieren wir als Ingenieurkammer-Bau an die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen, die Chancen der Kommunalen Vergabegrundsätze zu ergreifen: Denn sie garantieren Rechtssicherheit für den Auftraggeber, stärken die Vergabehoheit der Kommunen und begünstigen durch eine schnellere Vergabe deren Handlungsfähigkeit.

Ihr Heinrich Bökamp