18.08.2025
Nachhaltiges Bauen bedeutet, dass die Grundsätze und Zielsetzungen der drei klassischen Dimensionen der Nachhaltigkeit: „Ökologie, Ökonomie und Soziokultur“ gleichwertig mit den „Technologien des Bauens“ nebeneinanderstehen sollen. Nachhaltiges Bauen ist aber insbesondere auch ein ganzheitlicher Ansatz, der sich über alle Lebenszyklusphasen des Bauens von „Modul A bis einschließlich Modul D“ erstreckt (hierzu siehe auch DIN EN 15978-1); d.h. aber auch, dass die planenden Architekten und Ingenieure (m/w/d) sich bereits zu Beginn ihrer planerischen Tätigkeit ganzheitlich darüber Gedanken machen sollen.
Ein Beitrag von Marc Blum
Während bislang vor allem die Energieeffizienz über Gebäudehülle und Haustechnik im Fokus stand, rückt nun auch die Ressourcenschonung stärker in den Blick. Bauprodukte sollen möglichst wenig Abfall und Schadstoffe verursachen – und möglichst wiederverwendet oder recycelt werden können.
Beim zirkulären Bauen geht es darum, Ressourcen zu schonen und Schadstoffe zu vermeiden, indem Materialien wieder- oder weiterverwendet und Bauwerke so geplant werden, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus leicht demontiert oder einem neuen Zweck zugeführt werden können. Dieser Ansatz des „zirkulären Bauens“ wurde nun zum 18.12.2024 mit Veröffentlichung der neuen Bauproduktenverordnung (EU) 2024/3110 vom 27.11.2024 im europäischen Amtsblatt konsequent umgesetzt, die alte Bauproduktenverordnung (EU) Nr. 305/2011 wurde damit zeitgleich aufgehoben.
Bereits in der Eingangserklärung der neuen EU-BauPVO heißt es: „(51) Um die Kreislauffähigkeit von Bauprodukten im Einklang mit den Zielen des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft und der Abfallhierarchie zu verbessern, sollten die Produktanforderungen auch so gestaltet sein, dass sich die Ressourceneffizienz verbessert, der Entstehung von Abfall vorgebeugt wird, Reparaturen, Wiederverwendung und Wiederaufbereitung Vorrang eingeräumt wird, die Verwendung von Sekundärbaustoffen begünstigt wird und der Recyclingfähigkeit sowie der Produktion von Nebenprodukten Rechnung getragen wird. Die Vorbereitung der Wiederverwendung, die Wiederverwendung, die Wiederaufbereitung und das Recycling erfordern eine bestimmte Produktgestaltung, insbesondere durch die Erleichterung der Trennung von Produkten, Bauteilen und Werkstoffen bei Demontage, Rückbau und Abbruch und in der späteren Phase des Recyclings und, sofern möglich, die Vermeidung von gemischten, vermengten oder komplexen Werkstoffen und von bedenklichen Stoffen.“
Durch die vorrangige Aufnahme der sogenannten „R-Strategien“ – hier speziell REPAIR - REUSE - REMANUFACTURE – REPURPOSE – in der neuen EU-BauPVO kommt dem Prozess des Bauens bereits in der Planung eine neue Herangehensweise zu, um diese ganzheitlichen Nachhaltigkeitsziele des „zirkulären Bauens“ der EU-Kommission umsetzen zu können.
Damit dieser neue Ansatz des „zirkulären Bauens“ der EU-Kommission so auch gelingen kann, werden derzeit zahlreiche europäische Normen überarbeitet oder neu erstellt:
DIN EN 15978:2024-05 - Entwurf Nachhaltigkeit von Bauwerken - Bewertung der Umweltleistung von Gebäuden - Methodik
DIN EN 15941:2024-10 - Nachhaltigkeit von Bauwerken - Datenqualität für die Erfassung der Umweltqualität von Produkten und Bauwerken - Auswahl und Anwendung von Daten
DIN EN 17680:2023-12 - Nachhaltigkeit von Bauwerken - Bewertung des Potentials zur nachhaltigen Modernisierung von Gebäuden
DIN EN 18177:2025-04 - Entwurf Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) im Bausektor - Allgemeine Rahmenbedingungen, Grundsätze und Definitionen
DIN SPEC 91484:2023-09 - Verfahren zur Erfassung von Bauprodukten als Grundlage für Bewertungen des Anschlussnutzungspotentials vor Abbruch und Renovierungsarbeiten (Pre-Demolition-Audit)
Was bedeutet das für die Planerinnen und Planer?
Nach der neuen EU-Bauproduktenverordnung muss bereits in der frühen Planungsphase die zirkuläre Qualität der eingesetzten Baustoffe und Bauprodukte berücksichtigt werden. Vorrang haben Materialien mit hohem Rezyklatanteil – etwa Recycling-Beton – oder aus Sekundärrohstoffen wie Stahlträgern aus der Elektro-Ofen-Route. Die Konstruktionen selbst müssen so geplant sein, dass sie sortenrein demontiert werden können. Ziel ist es, die Bauteile entweder wieder- oder weiterzuverwenden. Ist das nicht möglich, sollen sie zumindest als Sekundärrohstoff verwertbar bleiben. Die Stahlbauweise ist beim zirkulären Bauen bereits gut aufgestellt. Mit der neuen Vornorm DIN CEN/TS 1090-201:2025-01 („Ausführung von Stahl- und Aluminiumtragwerken – Wiederverwendung von tragenden Stahlbauteilen“) liegt erstmals ein europäischer Standard zur Bewertung gebrauchter Stahlbauteile vor.
Altstahl wird dabei in zwei Typen unterteilt:
Typ 1: ab Baujahr 1970, mit homogenen Stahlgüten
Typ 2: vor 1970, mit inhomogenen Stahlgüten
Für beide Typen sind spezifische Bewertungsszenarien vorgesehen – A und B für Typ 1, C und D für Typ 2. Diese Szenarien definieren den Prüfaufwand, der nötig ist, um gebrauchte Stahlbauteile wieder in den technischen Kreislauf zurückzuführen. Weiterhin erfüllt die Stahlbauweise im Hochbau durch geschraubte Verbindungen jederzeit den zirkulären Ansatz einer sortenreinen Demontage. Liegen feuerverzinkte Bauteile vor, dann hat man den Vorteil einer sehr langen Lebensdauer sowie bei einer späteren Weiterverwertung den Vorteil zweier zirkulärer Sekundärrohstoffquellen.
Die neue EU-BauPVO steht nicht allein. Parallel hat die EU-Kommission weitere Verordnungen erlassen, die denselben Gedanken verfolgen: die EU-Ökodesign-Verordnung (ESPR), die EU-Taxonomie-Verordnung sowie die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD). Diese Regelwerke richten sich vor allem an Unternehmen – also auch an Bauherrinnen und Bauherren – und sollen sicherstellen, dass das Prinzip des zirkulären Bauens konsequent in der Praxis ankommt.
Marc Blum ist Geschäftsführer der gemeinnützigen Initiative ZINKSTAHL gGmbH, Gelsenkirchen sowie beratender Ingenieur mit eigenem Ingenieurbüro BLUM-INGENIEUR-CONSULT, Ennepetal und aktiv in der europäischen Normungsarbeit „Circular Economy in the Construction Sector“ tätig, weiterhin erstellt er bereits als „öbuv SV“ Gutachten für „REUSE-Steel“.