29.08.2023

Ingenieurimpulse zur Lösung der „sozialen Frage unserer Zeit“

Ingenieurimpulse zur Lösung der „sozialen Frage unserer Zeit“

Knapper Wohnraum, steigender Energieverbrauch, wachsende Städte: Wie soll das Wohnen der Zukunft aussehen? Was macht eine moderne, zukunftsorientierte Stadtplanung aus? Diese und viele weiteren Fragen diskutierte am 23. August ein hochkarätig besetztes Podium im bis auf den letzten Platz gefüllten Baukunstarchiv in Dortmund. Der Einladung der Ingenieurkammer-Bau NRW (IK-Bau NRW) und des diesjährigen Kooperationspartners, der Architektenkammer NRW (AKNW), waren Judith Kusch vom Büro 3pass, Helge Kunz von GROPYUS Technologies und Gerhard Matzig von der Süddeutschen Zeitung gefolgt. Unter der Leitung des Moderators Ralph Erdenberger erlebten die rund 170 anwesenden Gäste eine intensive und kontroverse Diskussion, die durch wertvolle Impulse aus der Mitte des Auditoriums bereichert wurde. Die Veranstaltungsreihe INGENIEURIMPULSE der Ingenieurkammer-Bau NRW thematisiert regelmäßig aktuelle Themen aus dem Bereich des Ingenieurwesens.

Nachdem die Hauptgeschäftsführer beider Kammern, Markus Lehrmann für die AKNW und Christoph Spieker für die IK-Bau NRW, das Publikum begrüßt und den thematischen Rahmen der Diskussion abgesteckt hatten, begann das Ringen um die besten Antworten auf die Frage „Wie wollen wir wohnen?“ Dabei wurde schnell deutlich, die Frage des Wohnens besitzt viele Facetten: mindestes eine soziale, eine ökologische und sicher auch eine emotionale. Für Gerhard Matzig ist die Frage des Wohnens eben die soziale Frage unserer Zeit, gleichzeitig sei beispielsweise das Einfamilienhaus immer noch ein Sehnsuchtsort und die Frage des Wohnens über die soziale Dimension hinaus auch eine emotionale Frage. Zwar bleibe der Geschosswohnungsbau in vielerlei Hinsicht die bessere Lösung, doch seien von 19 Mio. Wohnbauten in Deutschland, 16 Mio. Einfamilienhäuser. Für die ländliche Bevölkerung sei das Haus oft der einzige Vermögenswert. Von der Politik könne und dürfe man nicht erwarten, dass sie alles besser weiß. Dafür gebe es Experten, so Gerhard Matzig. Er erwarte, dass die Verbände, die Architekten- und Ingenieurkammern gehört würden, weil sie das Planen und Bauen aus der Praxis kennen. Viele Antworten auf drängende Fragen lägen längst vor. Es gebe kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Die Politik müsse viel näher dran sein an der Expertise der planenden Menschen. Es sei für die Zukunft wesentlich, die erdrückende Fülle an Baunormen zu hinterfragen. Während es nach Auffassung von Gerhard Matzig zur ökologischen Bauwende keine Alternative gebe, seien andere Normen wie z. B. Regelungen zum Schallschutz diskutabel. Entscheidend für die Entwicklung der Baupreise seien zudem die extrem gestiegenen Kosten für Bauland, hier müsse die Politik eingreifen und auch unpopuläre Wege diskutieren.

Judith Kusch mahnte, dass ökologisches Bauen bereits vor Jahrzehnten möglich gewesen sei. Das Fachwissen habe es in vielen Bereich bereits gegeben. Als Kronzeuge dieser These präsentierte Kusch dem Publikum ein 42 Jahre altes Fachbuch in dem eine Wärmepumpe, Solarthermie, Baubotanik und vieles mehr erläutert werde. Die Frage „Wie wolle man wohnen?“ sei auch heute nicht pauschal zu beantworten. Man müsse die Unterschiede im Einkommen der Menschen und ihre Demografie ebenso beachten wie die Unterschiede zwischen Stadt und Land. So gebe es Regionen, in denen trotz Wohnungsmangel Einfamilienhäuser leer stünden oder Wohnungen, die von älteren Menschen bewohnt und von diesen als viel zu groß empfunden werden. Auch könnten indirekte Maßnahmen, wie eine verbesserte Infrastruktur helfen, die Metropolen zu entlasten und das Land aufzuwerten.

Helge Kunz formuliert den Wunsch, dass im bevölkerungsreichsten Bundesland das bestehende Potenzial im Holzbau bald auch genutzt werde. Andere Bundesländer, in denen der Holzbau traditionell eine größere Rolle spiele, seien hier weiter. Durch das serielle Bauen und die Verlagerung vieler Prozesse in die Fabrik ergebe ich ein großes Potenzial Kosten einzusparen. Die Entwicklung im Bereich der Robotik stütze diese Entwicklung.

Insgesamt hielt der Abend, was der Titel der Veranstaltung versprochen hatte. Auch wenn die Frage „Wie wollen wir wohnen“ nicht abschließend beantwortet wurde, nahmen die Gäste zahlreiche Impulse mit in das Get-together im Gartensaal und auf die Terrasse des Baukunstarchivs, wo bei einer Erfrischung die Diskussionen lebhaft und konstruktiv weitergeführt wurden.