25.08.2022

Engagierte Open Space-Veranstaltung in Oberhausen

Engagierte Open Space-Veranstaltung in Oberhausen

Der Klimawandel komme viel schneller als wir dachten und es wird nicht mehr besser als heute. Mit diesen eindringlichen Worten begrüßte Jörg vom Stein Ende August als Vertreter des Ausschusses Nachhaltigkeit der Ingenieurkammer-Bau NRW rund 40 engagierte Kammer-Mitglieder in der Zinkfabrik Altenberg in Oberhausen.

Impressionen der "Fish Bowl" beim Open Space in der Zinkfabrik in Oberhausen
Impressionen der "Fish Bowl" beim Open Space in der Zinkfabrik in Oberhausen

Der Titel der Veranstaltung lautete „CO2-Verbrauch in der Tragwerksplanung“ und steht damit in einer Reihe weiterer Kammer-Aktivitäten zu diesem existentiellen Thema. Zu nennen wären beispielsweise die Pflanzung von 12.000 Bäumen im Frühjahr, die Vergabe eines Forschungsauftrages an die TU Dortmund zum Thema „Konstruktionsbedingte Treibhausgasemissionen in der Tragwerksplanung“, dessen Ergebnisse für den Herbst dieses Jahres erwartet werden und eine Online-Podiumsdiskussion der neuen Reihe ChallengING zum Thema „Nachhaltiges Bauen“ Anfang November dieses Jahres. Am 25. August ging es dann um die sogenannte graue Energie eines Gebäudes, also jene Energie, die für die Herstellung des eigentlichen Bauwerks, aber auch für die Produktion, Lagerung und Entsorgung bzw. das Recycling der Baustoffe benötigt wird. Was viele Laien immer noch nicht wissen: Allein acht Prozent der Treibhausgasemissionen weltweit gehen auf die Zementherstellung zurück, das ist viel mehr als beispielweise der weltweite Flugverkehr an CO2 emittiert. Ohne eine nachhaltige Bauwende erreichen wir die ambitionierten, aber notwendigen Ziele zur CO2-Reduktion damit kaum.

Bei der erprobten Veranstaltungsreihe „Open Space“ geht es nicht um Wissensvermittlung durch Vorträge festgelegter Referenten, vielmehr kommt es auf die Aktivität und das Engagement aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer an. Dabei werden keine abschließenden Lösungen für die sehr komplexen Probleme des Tages erwartet. Das zugleich bescheidene und ambitionierte Ziel lautete, die richtigen Fragen zu stellen, diese in Gruppen zu diskutieren und endlich mit einer Agenda und dem guten Gefühl aus der Veranstaltung zu gehen, dass man sich auf einem langen und schwierigen, aber eben auf dem richtigen Weg befindet. Und, Spoileralert: Das Ziel wurde erreicht. Erstens dank überaus engagierter und fachkundiger Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die sich erkennbar schon lange mit dem Thema der CO2-Reduktion durch die Möglichkeiten der Tragwerksplanung beschäftigt haben. Zweitens, weil die Runde mit Rolf Schneidereit von einem echten Profi moderiert wurde, der sich mit seinem Unternehmen auf die Prozessmoderation spezialisiert hat.

Zwar stehen beim Format Open Space die materiellen Ergebnisse der Diskussionen im Vordergrund, aber spannend ist auch der Weg zu diesen Ergebnissen: Zunächst galt es für alle in drei Einführungsrunden ganz kurz und prägnant die Fragen zu klären: „Wo begegnet mir das Thema des heutigen Tages“ und „Welche Chance bringt das Thema für mein Büro, für die Ingenieurinnen und Ingenieure und für die Gesellschaft als Ganzes“ und „Was ist der nächste Schritt, den mein Büro, oder der Kunde oder die Kammer machen müssen?“. Verhandelt wurden diese Fragen jeweils nicht in großer Runde, sondern mit wechselnden Partnern im Zwiegespräch, und zwar in maximal 90 Sekunden.

Falls es an diesem heißen Augusttag in Oberhausen je Eis gab, das es zu brechen galt, so war dies spätestens nach dieser dynamischen Einführung geschehen und es ging gut aufgewärmt in die Gruppendiskussion. Fish Bowl lautete nun die Vorgabe, was bedeutet: In einem äußeren Stuhlkreis fand das Gros der Teilnehmerinnen und Teilnehmer Platz und in der Mitte luden fünf weitere Stühle zur Diskussion ein. Diese fünf Plätze wurden nun dynamisch neu besetzt: Jeder, der sich an der vom Moderator Schneidereit klug ins Tempo gesetzten Diskussion beteiligen wollte, durfte dazu einem anderen Teilnehmer des inneren Kreises auf die Schulter klopfen und so anzeigen, dass er dessen Platz in der Diskussion übernehmen wollte. So entstand ein engagiertes, in die Tiefe zielendes und vielschichtiges Gespräch mit wechselnden Protagonisten. Aus diesem Gespräch ergaben sich durch die Leitung des Moderators zehn Themen, die in zwei Zeitfenstern parallel an jeweils fünf Tischen diskutiert wurden.

Inhaltlich drehten sich die Fragen und Impulse aus dem Kreis der Diskutantinnen und Diskutanten um das Spannungsfeld zwischen verantwortungsvoller Beratung und Planung einerseits, und den daraus vordergründig entstehenden Kosten andererseits, die die Kunden nicht tragen wollen oder können. Ein wichtiges Thema war auch die Rolle der Tragwerksplanenden im Planungsprozess: Werden sie erst hinzugezogen, wenn der Bauantrag bereits eingereicht sei, gebe es kaum mehr die Chance, mit einem innovativen Tragwerk CO2 einzusparen. Dies könne nur gelingen, wenn die Planung von Beginn an auf Augenhöhe und im interdisziplinären Team mit den Architektinnen und Architekten und den Brandschützenden gelinge. Ansonsten sei der Tragwerksplaner schlimmstenfalls in die Rolle des Erfüllungsgehilfen gedrängt und sein Einfluss auf den CO2-Fußabdruck des Gebäudes marginal. Angeregt, konkret als Arbeitsauftrag für die IK-Bau NRW, wurde die Erstellung von Infomaterial für Kundinnen und Kunden sowie Bankberaterinnen und Bankberater. Hier bestehe erheblicher Aufklärungsbedarf z. B. über den langfristigen Werterhalt eines Gebäudes durch eine nachhaltige Bauweise. Bei Holzbauten beständen immer noch Vorbehalte im Hinblick auf Langlebigkeit und Brandschutz. Auch wurde der Wunsch nach einer einheitlichen und nachweisbaren Qualifikation in Sachen CO2-Einsparung bzw. nachhaltiger Planung und zirkulärem Bauen sowie entsprechenden Fortbildungsangeboten geäußert. Eng verbunden damit ist die Vergütung: So sei eine CO2-optimierte Lösung meist keine Standardlösung und daher aufwändiger und planungsintensiver. Dies müsse sich im Honorar widerspiegeln. Kritisch hinterfragt wurde, wie eng die Planung der Ingenieurin bzw. des Ingenieurs an Normen gebunden sein müsse und wie viel Freiheit und unkonventionelle Lösungen man eröffnen sollte, ohne dass gleich die Haftungsfalle drohe.

Die Open-Space-Reihe der IK-Bau NRW hat sich einmal mehr als innovatives Format bewährt, um komplexe Probleme anzugehen, diese in Teilfragen und -probleme zu gliedern und einen Weg zur Lösung zu skizzieren. Dieser Weg wird gerade im Hinblick auf die Bewältigung der Klimaerwärmung kein leichter sein. Aber es vermittelt ein Gefühl der Hoffnung und des Aufbruchs, in einer Veranstaltung wie dieser die Kombination aus gutem Willen und großer Fachkundigkeit zu beobachten.