05.08.2025

Vertrauen beginnt bei uns

Vertrauen beginnt bei uns

Vertrauen ist die unsichtbare Infrastruktur des Planens und Bauens. Es entscheidet darüber, wie schnell Verfahren laufen, wie sicher Entscheidungen sind – und wie stark Behörden auf fachliche Eigenverantwortung der am Bau Beteiligten setzen können. Doch Vertrauen entsteht nicht im luftleeren Raum. Es braucht Voraussetzungen, Strukturen und verlässliche Kontrollmechanismen. Genau hier setzt das in Gesetzen verankerte Prinzip qualifizierter Testate an – und macht deutlich, welchen Beitrag Mitglieder der Ingenieurkammer-Bau NRW für funktionierende Bauprozesse leisten.

„Vertrauen ist die Voraussetzung dafür, dass komplexe Systeme funktionieren. Unsere Mitglieder übernehmen Verantwortung – fachlich, rechtlich, berufsethisch. Dass die Behörden auf dieses Vertrauen setzen, ist nicht nur legitim, sondern notwendig.“ Dr. Andreas Rose, Präsidiumsmitglied der IK-Bau NRW.

Verwaltungsverfahren unter Druck

Kommunale Bauverwaltungen sind vielerorts stark ausgelastet. Genehmigungsverfahren dauern zu lange, Prüfkapazitäten reichen nicht aus und in immer mehr Kommunen fehlen die nötigen Fachleute, um komplexe technische Anforderungen im Detail zu bewerten. Gleichzeitig wächst der gesellschaftliche und politische Druck, schneller und zugleich rechtssicher zu bauen: mehr Wohnungen, klimaresiliente Infrastrukturen, Sanierung im Bestand.

Was also tun, wenn das System an seine Grenzen stößt? Eine zentrale Antwort liegt in der gezielten Delegation von Verantwortung – an qualifizierte, kontrollierte, beruflich gebundene Fachleute. Genau das leisten qualifizierte Testate. Sie unterstützen oder ersetzen in bestimmten Fällen die bauaufsichtliche Kontrolle – und entlasten damit gezielt die Verwaltung.

Torsten Schröder, Technischer Beigeordneter der Stadt Kempen und als Ingenieur zugleich Kammermitglied bringt es auf den Punkt: „Als Technischer Beigeordneter kenne ich den Druck, unter dem viele Bauaufsichtsbehörden stehen – steigende Anforderungen, knappe Ressourcen und hohe Erwartungshaltungen, insbesondere bei der Verfahrensdauer. Als Ingenieur weiß ich zugleich, dass die Kolleginnen und Kollegen verantwortungsvoll Sachverständigenbescheinigungen verfassen. Die Gesetzesnovellierungen der vergangenen Jahre intendieren eine stärkere Privatisierung des Baurechts. Vertrauen ist in diesem Sinne kein Risiko, sondern notwendige Voraussetzung für die gewünschte kürzere Verfahrensdauer. Damit wird den Sachverständigen eine höhere Verantwortung zuteil und wir als Verwaltung müssen bereit sein, dieses Fachurteil anzuerkennen.“

Wo das Prinzip bereits trägt

Vertrauen ist im Baurecht keine Floskel, sondern gelebte Praxis. Zahlreiche Regelungen setzen voraus, dass Ingenieurinnen und Ingenieure fachlich kompetent, rechtlich verantwortlich sowie ethisch integer handeln – und ersetzen auf dieser Grundlage staatliche Prüfungen durch qualifizierte Testate.

Diese Vertrauensbasis ist bereits in der Kammermitgliedschaft angelegt: Die Sachkunde als Ingenieurin bzw. Ingenieur und die erforderliche Zuverlässigkeit werden überprüft, Berufshaftpflichtversicherung und Fortbildung sind verpflichtend. Wer als privater oder öffentlicher Auftraggeber ein Kammermitglied beauftragt, kann darauf bauen: Diese Fachleute stehen unter öffentlicher Aufsicht und übernehmen Verantwortung.

Besondere Bedeutung hat dies bei genehmigungsfreigestellten Vorhaben. Wer beispielsweise ein Wohnhaus der Gebäudeklassen 1 bis 4 errichtet, muss keinen Bauantrag stellen – vorausgesetzt, eine bauvorlageberechtigte Ingenieurin bestätigt gegenüber der Behörde, dass die Voraussetzungen der Genehmigungsfreistellung erfüllt werden. Der Gesetzgeber verzichtet in solchen Fällen bewusst auf eigene Prüfungen und verlässt sich auf das qualifizierte Urteil der bauvorlageberechtigten Entwurfsverfasserin bzw. des Entwurfsverfassers.

Auch öffentlich bestellte Vermessungsingenieurinnen und -ingenieure übernehmen solche Verantwortung: Ihre Bescheinigung zur bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Unbedenklichkeit einer Grundstücksteilung machen eine Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde entbehrlich. Sie handeln hier als Beliehene mit Behördenstatus – mit Amtssiegel, rechtlicher Bindung und fachlicher Autorität.

Ein weiterer Bereich sind die staatlich anerkannten Sachverständigen. Sie beurteilen die Standsicherheit, den baulichen Brandschutz, Erd- und Grundbau sowie Schall- und Wärmeschutz – und ersetzen durch ihre Bescheinigung die bauaufsichtliche Prüfung. Diese Übertragung ist keine Formalie, sondern Ausdruck des Vertrauens in eine geprüfte Qualifikation, mehrjährige Berufserfahrung und regelmäßige Fortbildung. Ihre Stellung beruht auf der Wahrnehmung von Verantwortung für die öffentliche Sicherheit von baulichen Anlagen.

Sogar im Ausnahmefall, wenn von Vorgaben der Landesbauordnung abgewichen wird, greift dieses Prinzip: In bestimmten Fällen genügt das qualifizierte Testat eines staatlich anerkannten Sachverständigen, um die Entscheidung über die Zulassung einer Abweichung entbehrlich zu machen. Die Behörde kann auf eine eigene Prüfung verzichten – weil sie sich auf das Urteil eines kontrollierten und haftenden Experten verlässt.

Schließlich ist da noch der Beratende Ingenieur. Kraft Gesetzes muss er unabhängig agieren, darf keine Interessen als Bauunternehmer oder Produkthersteller vertreten. Er steht allein auf Seiten seiner Auftraggeberin und plant das Vorhaben gemäß ihrer Interessen – und genau darin liegt seine Stärke: Wer einem Beratenden Ingenieur vertraut, vertraut auf Fachurteil, Berufsethos und Unabhängigkeit.

Was Vertrauen möglich macht

Damit ein qualifiziertes Testat Vertrauen schafft, braucht es klare Regeln und Zuständigkeiten, berufsethische Bindung und verlässliche Kontrolle. Wer testieren darf, ist gesetzlich definiert. Der Zugang zu bestimmten Funktionen – etwa zum staatlich anerkannten Sachverständigen – ist streng geregelt. Dies schützt die Integrität des Verfahrens. Mitglieder der Ingenieurkammer-Bau NRW unterliegen nicht nur fachlichen Anforderungen, sondern auch berufsrechtlichen Pflichten. Wer ein Testat ausstellt, steht mit Namen und Haftung dafür ein. Die Kammer wiederum sorgt durch Aufsicht, Prüfung der Fortbildung und – im Ernstfall – berufsrechtliche Maßnahmen dafür, dass das System funktioniert. Wer testiert, kann sich nicht hinter Formeln verstecken – er oder sie muss fachlich und rechtlich belastbare Aussagen treffen.

Was noch möglich wäre

Das Modell funktioniert – es entlastet, beschleunigt und sichert ab. Doch sein Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft. Denkbar wäre zum Beispiel eine stärkere Anerkennung qualifizierter Testate bei Abweichungen: Wenn qualifizierte Fachleute begründet von technischen Vorschriften abweichen, sollten ihre Einschätzungen verbindlicher in Verwaltungsentscheidungen einfließen können. Auch im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaanpassung ließe sich das Modell erweitern. Neue Schutzziele wie CO₂-Reduktion oder Überflutungsschutz erfordern interdisziplinäres Wissen – auch hier könnten fachlich geprüfte Testate als Grundlage für behördliche Entscheidungen dienen. In digitalen Verfahren schließlich könnten qualifizierte Testate eine zentrale Rolle spielen: als rechtssichere, maschinenlesbare Module, die Prüfprozesse vereinfachen und standardisieren.

Eine Frage der Haltung

Die Ingenieurkammer-Bau NRW steht hinter diesem Prinzip: Qualifikation, Verantwortung, Verbindlichkeit. Vertrauen ist kein leeres Wort, sondern eine strukturierte Praxis – mit Regeln, mit Kontrolle, mit Berufsethos. Wer unsere Mitglieder beauftragt, beauftragt Verantwortung. Und wer ihnen vertraut, gewinnt an Sicherheit.