19.09.2025
Kommunikation war das Schlüsselwort des diesjährigen Sachverständigen-Forums der Ingenieurkammer-Bau NRW im LWL-Museum Zeche Zollern. Rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten, wie Verständigung zwischen Gerichten, Anwälten und Sachverständigen gelingt – fachlich präzise, rechtlich einwandfrei und technisch auf der Höhe der Zeit.
IK-Bau-Präsident Dr.-Ing. Heinrich Bökamp betonte in seinem Grußwort, Gutachten entstünden nicht im luftleeren Raum, sondern müssten verstanden, geprüft und in Entscheidungen übersetzt werden. Qualität bedeute nicht Komplexität, sondern Klarheit und Nachvollziehbarkeit. Schlagendes Beispiel sei der EasyCode Stahlbau, der die Vorschriften des Eurocode 3 von 1.300 auf 156 Seiten verdichte – ein Symbol für praxisnahe Entbürokratisierung.
Eine anschauliche Brücke zum Thema schlug anschließend Dr. Annette Kugler-Mühlhofer, Leiterin des LWL-Industriemuseums Zeche Zolle. Sie berichtete die Anekdote, wie das Jugendstil-Portal der Maschinenhalle – heute ein Wahrzeichen der Industriekultur – letztlich durch einen Kommunikationsfehler der Planer entstand.
Durch das Programm führte wie in den letzten Jahren Katja Hennig, Juristin im Rechtsreferat der Kammer. Mit gleichermaßen sachkundiger und kurzweiliger Moderation setzte sie den thematischen Rahmen des Tages und führte durch die Diskussionsrunden.
Drei Fachperspektiven zum Sachverständigenverfahren
Den Auftakt machte Karsten Kania, Vorsitzender Richter am Landgericht Duisburg. Er stellte klar, dass das Gericht die Tätigkeit des Sachverständigen leitet (§ 404a ZPO) und der Beweisbeschluss das zentrale Instrument dafür ist. Gutachter dürften keine Rechtsfragen beantworten, sondern müssten sich auf Tatsachen beschränken. Bei unklaren Aufträgen oder streitigen Anknüpfungstatsachen sei die Rücksprache mit dem Gericht unerlässlich. Sonderfälle wie Bauteilöffnungen oder Eingriffe in Drittbesitz zeigten, wie wichtig eindeutige Weisungen seien.
Im Anschluss beleuchtete Oliver Eschmann, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, den Stand der elektronischen Kommunikation. Bis Ende 2025 sollen eAkte und elektronisches Bürger- und Organisationspostfach (eBO) flächendeckend eingeführt sein. Die Vorteile: schnellere Abläufe und bessere Dokumentenqualität. Doch Eschmann benannte auch die Schattenseiten: uneinheitliche Dateibenennung, mangelhafte Qualität eingereichter Unterlagen und Grauzonen bei der direkten Übersendung durch Parteien an die Sachverständigen. Sein Fazit: Die Technik funktioniert, doch ohne Schulungen aller Beteiligten bleibt der Fortschritt Stückwerk.
Zum Abschluss brachte Rechtsanwalt Lars Christian Nerbel die anwaltliche Sicht ein – und tat dies in einem kurzweiligen Vortrag, der die Teilnehmenden mit vielen praktischen Warnungen erreichte. Sein Grundsatz war eindeutig: Kommunikation zwischen Anwälten und Sachverständigen hat über das Gericht zu laufen. Alles andere berge Risiken. Er zeigte anhand typischer Situationen, in welche Fallen Sachverständige leicht geraten können – etwa bei informellen Gesprächen am Ortstermin, bei der Annahme von Unterlagen einer Partei ohne Beweisbeschluss oder bei unbedachten Vorabäußerungen. Nerbel machte klar: Schon kleine Abweichungen können den Anschein der Befangenheit oder gar die Unverwertbarkeit eines Gutachtens nach sich ziehen. Sein Rat war deshalb ebenso einfach wie konsequent: Organisation ja – Einflussnahme nein. Objektivität, Transparenz und Fairness sind die Leitlinien, an denen sich Sachverständige jederzeit orientieren sollten. Die Diskussionen im Plenum griffen diese Punkte lebhaft auf. Mit einem Schlusswort der Moderatorin und anschließendem Imbiss und Networking endete die Tagung – und hinterließ bei den Teilnehmenden die Gewissheit, dass gute Kommunikation mehr ist als eine Formalie: Sie ist die Grundlage für Vertrauen und Qualität in der Zusammenarbeit von Gericht, Anwaltschaft und Sachverständigen.