16.03.2023

Kommunale Spitzenverbände: Für die Planung von Schulen und Kindertagesstätten ist den Kommunen das billigste Angebot gerade gut genug

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf der Bundesregierung zur Anpassung des Vergaberechts vorgeschlagen, dass es Auftraggebern künftig bei EU-weiter Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen möglich sein sollte, den Preis als einziges Zuschlagskriterium zu wählen. Diese Forderung ist aus Sicht der von der Ingenieurkammer-Bau NRW vertretenen Ingenieurinnen und Ingenieure überraschend und zutiefst enttäuschend.

Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau-NRW
Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau-NRW
Samuel Becker

Anders als fertige Produkte können die geistig-schöpferischen Leistungen von Ingenieurinnen und Ingenieuren gerade nicht abschließend beschrieben und daher nicht allein nach dem Preis ausgewählt werden. Die Auftraggeber beauftragen Ingenieurinnen und Ingenieure, die in ihrem Interesse tätig werden und die genannte Aufgabe umsetzen. Entsprechend braucht es nicht das billigste Angebot, sondern die beste Eignung und Erfahrung. Wer eine geistig-schöpferische Leistung allein nach dem billigsten Angebot bemisst, zeigt keinerlei Wertschätzung für diese Leistung, tritt die Arbeit Tausender Ingenieurinnen und Ingenieure mit Füßen und zwingt sich selbst den schlechtesten Anbieter auf, weil er gerade einmal zufällig der Billigste ist. Zugleich verkennt die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände mit ihrer Forderung völlig die Bedeutung der Planerinnen und Planer für die dringend erforderliche Sanierung der öffentlichen Infrastruktur in diesem Land. Die Ingenieurkammer-Bau NRW lehnt diese Forderung entschieden ab und weist zudem darauf hin, dass der bewährte Leistungswettbewerb ein Garant für die qualitätsvolle Arbeit von Ingenieurinnen und Ingenieuren ist.

Anlass der Stellungnahme ist die Absicht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, § 3 Absatz 7 Satz 2 VgV zu streichen. Durch die Streichung würde ein Großteil der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen europaweit im sogenannten Oberschwellenbereich ausgeschrieben werden müssen, für den der Leistungswettbewerb zwingend vorgeschrieben ist. In einer gemeinsamen Stellungnahme haben zahlreiche Kammern und Verbände – unter anderem die Bundesingenieurkammer – die Bundesregierung aufgefordert, § 3 Absatz 7 Satz 2 VgV nicht aufzuheben.


Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW kommentiert: „Geht es nach den kommunalen Spitzenverbänden, ist für die Planung öffentlicher Gebäude künftig das Billigste gerade gut genug. Doch die Vergabe von Planungsleistungen an den billigsten Bieter schadet dem Gemeinwesen auf vielfältige Weise: Was bedeutet es für den Klimawandel, wenn Gebäude unter Kostendruck in der Planungsphase nicht CO₂-optimiert geplant werden? Wie soll Bildung in Schulen und Kindertagesstätten gelingen, wenn Planung auf das geringstmögliche Maß reduziert wird? Was bedeutet reiner Preiswettbewerb für den Fachkräftemangel im Bauingenieurwesen, der schon heute verhindert, dass unsere marode Infrastruktur in angemessener Zeit saniert wird? Werden junge Menschen sich für diesen Beruf entscheiden, wenn die öffentlichen Auftraggeber in den Kommunen klar zu erkennen geben, dass Planungsleistungen von Ingenieurinnen und Ingenieuren für sie keinen Wert besitzen, sondern mehr oder weniger ein lästiges Übel darstellen? Der Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände darf im Interesse des Gemeinwesens niemals Gesetz werden!“

Die Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände vom 28.02.2023 als PDF.