04.01.2024
Zahlreiche Ingenieurbüros, die von einer GmbH oder GmbH & Co KG betrieben werden, haben mehrere Gesellschafter mit Beteiligungsquoten von 10 Prozent oder mehr. Sind die Gesellschafter auch zu Geschäftsführern bestellt, fühlen sie sich in einer (mit-)unternehmerischen Stellung. Aber Vorsicht: die sozialversicherungsrechtliche Bestimmung ihres Status, also ob sie selbstständig tätig oder abhängig beschäftigt sind, folgt eigenen Regeln.
Und wer sich vor unangenehmen Überraschungen in Gestalt hoher Beitragsforderungen für mehrere zurückliegende Jahre durch die gesetzliche Rentenversicherung (Deutsche Rentenversicherung Bund) schützen möchte, sollte frühzeitig den sozialversicherungsrechtlichen Status auch und gerade dieser mitarbeitenden Gesellschafter bzw. Gesellschafter-Geschäftsführer klären.
Nach der früheren „Kopf und Seele“-Rechtsprechung des Bundessozialgerichts genügte es für eine Sozialversicherungsfreiheit des Geschäftsführers, dass er einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen konnte. Dieser Einfluss musste aber nicht auf einer Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte, sondern konnte auch auf anderen Umständen beruhen. War der Geschäftsführer als „Kopf und Seele“ des Unternehmens anzusehen, war er selbstständig. Dies ist Vergangenheit. Seit gut 10 Jahren kommt es darauf an, ob der Geschäftsführer rechtlich – nicht nur faktisch – in der Lage ist, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafter zu verhindern. Anderenfalls soll es sich um eine bloße „Schönwetter-Selbstständigkeit“ handeln, die nicht von der Sozialversicherungspflicht befreit. Danach kommt es ausschließlich auf die Rechtsmacht an. Eine Kapitalbeteiligung führt aber nicht automatisch zur Selbstständigkeit. Vielmehr muss der Geschäftsführer die Rechtsmacht haben, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen. Das ist bei mehr als 50 Prozent der Anteile regelmäßig der Fall, ausnahmsweise auch bei einer Beteiligung von exakt 50 Prozent oder einer geringeren Beteiligung. Insoweit kommt es auf den Gesellschaftsvertrag an, nämlich ob dieser dem oder den Minderheitsgesellschaftern eine „echte“ Sperrminorität einräumt. Außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffene schuldrechtliche Vereinbarungen sind insoweit „ohne Bedeutung“.
In der jüngsten Rechtsprechung taucht ein weiterer Aspekt auf: bei der statusrechtlichen Einordnung komme es nicht nur auf die Weisungsfreiheit an, sondern ein nicht abhängig beschäftigter Gesellschafter-Geschäftsführer müsse auch in der Lage sein, auf die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassend Einfluss zu nehmen und damit das unternehmerische Geschick der GmbH insgesamt wie ein Unternehmensinhaber zu lenken. Dafür sei grundsätzlich eine sich auf die gesamte Unternehmenstätigkeit erstreckende Gestaltungsmacht erforderlich. Andernfalls sei der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht im „eigenen“ Unternehmen tätig, sondern in funktionsgerecht dienender Weise in die GmbH als seine Arbeitgeberin eingegliedert.
Was können Sie tun?
Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Bevor ein solcher Antrag gestellt wird, sollten jedoch die Risiken und Chancen, die mit dem Ingangsetzen eines solchen Verfahrens verbunden sein können, sorgfältig geprüft werden. Insbesondere bei der Neuaufnahme von Gesellschaftern, z. B. im Rahmen einer mittelfristigen Nachfolgeplanung, bietet sich dieses Verfahren an. Denn wenn der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt wird und die Deutsche Rentenversicherung Bund später eine Beschäftigung feststellt, gilt erst der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte zustimmt und er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
RA Axel Groeger, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Redeker Sellner Dahs, Bonn